Unerkannte Thrombose führt zu einem Schmerzensgeld von 16.000 Euro.

Erfahren Sie hier, wie ein Patient Schmerzensgeld erhalten hat, weil der Arzt eine Thrombose als „Muskelkater“ abgetan hat.

Unerkannte Thrombose – Beschwerden als Muskelkater abgetan.

Weil bei einem Patienten trotz begründeten Verdachts auf eine tiefe Beinvenenthrombose keine entsprechende Abklärung erfolgte, sprach das OLG Köln (Aktenzeichen: 27 U 23/90) ihm 18.000 DM zu. Das wären heute unter Berücksichtigung der Inflation 16.000 Euro Schmerzensgeld.

Gut zu wissen: Bei einer tiefen Beinvenenthrombose bilden sich Blutgerinnsel in den tiefen Venen. Diese Gerinnsel können zu Schmerzen, Schwellungen und Rötungen führen und verstopfen das Gefäß ganz oder teilweise.

Wird in einem solchen Fall keine Phlebografie durchgeführt, liegt darin ein grober Behandlungsfehler des Arztes.

Gut zu wissen: Eine Phlebografie ist ein invasives röntgenologischen Verfahren zur Darstellung und Beurteilung von Venen. Sie wird häufig als aussagekräftiges diagnostisches Verfahren zum Nachweis von Thrombosen (insbesondere Beinvenenthrombose) genutzt. Dabei erfolgt die Darstellung der Venen nach Injektion von Röntgenkontrastmittel in die Venen. Durch Funktionsaufnahmen in verschiedenen Zeitfenstern kann so das venöse System detailliert beurteilt werden.

Wie konnte es zu dem Behandlungsfehler kommen und warum wurde die Thrombose nicht erkannt?

Neigung zu Thrombosen.

Schon früher neigte der Patient zu Thrombosen. Insbesondere musste er sich in der Vergangenheit einer Marcumar-Therapie wegen einer Beckenvenenthrombose unterziehen.

Gut zu wissen: Das Medikament Marcumar ist ein Gegenspieler von Vitamin K, welches wichtig für die Blutgerinnung ist und vom Körper benötigt wird, um Blutungen zu stoppen. Bei einer Marcumar-Therapie wird die Wirkung von Vitamin K verringert, es dauert länger, bis die Blutgerinnung abgeschlossen ist.

Weil es dabei zu einer Makrohämaturie kam, war eine stationäre Behandlung erforderlich.

Gut zu wissen: Als Makrohämaturie bezeichnet man die mit dem bloßen Auge erkennbare Ausscheidung von Blut im Urin.

Postthrombotisches Syndrom.

In den folgenden Jahren musste er die Therapie mit Marcumar fortsetzen. Zudem musste er aufgrund eines postthrombotischen Syndroms einen Kompressionsstrumpf tragen.

Gut zu wissen: Zu einem postthrombotischen Syndrom kommt es, wenn eine tiefe Venenthrombose die Gefäßwände oder Venenklappen beschädigt hat und sich das Blut in der Vene dauerhaft staut. Dadurch steigt der Druck in den Venen deutlich an. Sie weiten sich und die Venenklappen können nicht mehr richtig schließen. Es kommt zu einer chronischen Rückflussstauung der oberen oder unteren Extremität. Dadurch treten Symptome wie Schweregefühl, Spannungsschmerzen, Wassereinlagerungen und Bewegungseinschränkungen auf.

Vorgeschichte der Thrombose: ein Unfall.

Der Patient arbeitet als Elektromonteur. Auf einer Baustelle fiel ihm ein Stein auf den linken Vorderfuß. Die am darauffolgenden Tag erfolgte Untersuchung beim Arzt ergab eine Vorderfußprellung. Außerdem war die linke Kleinzehe angebrochen (Infraktion).

Gut zu wissen: Von einer Infraktion spricht man bei Vorliegen eines unvollständigen Knochenbruchs, bei dem der Knochen nur angebrochen ist.

Er erhielt einen Verband, um die den Fuß ruhigzustellen und bekam eine Krankschreibung.

Wadenschmerzen als „Muskelkater“ gedeutet.

Einige Tage später stellte sich der Patient erneut bei dem Arzt vor und klagte über Wadenschmerzen. Der Arzt hatte dies als „Muskelkater“ gewertet und den Beschwerden des Patienten keine weitere Bedeutung beigemessen. Insbesondere hat er nichts unternommen, um eine mögliche Thrombose auszuschließen. Dafür hätte er eine Vergleichsmessung an beiden Beinen durchführen müssen und den Patienten nach einer möglichen Thromboseneigung zu fragen. Außerdem hätte er eine Wiedervorstellung anordnen und eine sog. Phlebografie durchführen oder in einer anderen Praxis veranlassen müssen. Ein klarer Fall der unerkannten Thrombose.

Phlebografie wäre zwingend erforderlich gewesen.

Um die Diagnose einer tiefen Beinvenenthrombose sicher ausschließen zu können, hätte zwingend eine Phlebografie erfolgen müssen. Eine solche Untersuchung fand aber nicht statt.

Erst als sich der Patient wenige Wochen später wieder mit gleichem Beschwerdebild vorstellte, ordnete der Arzt eine Phlebografie an. Diese sollte 4 Tage später stattfinden.

Zu diesem Termin kam es jedoch nicht mehr, da der Patient schon vorher von seinem Hausarzt wegen Thromboseverdachts in die Klinik eingewiesen wurde.

In der Klinik stellte man noch am Aufnahmetag fest, dass ein kompletter Verschluss der Unterschenkelvenen vorlag. Dabei zeigten sich typische Zeichen einer frischen Thrombose.

Sofort leitete man eine Lyse-Therapie (Streptokinase) ein, welche wegen einer Blutung abgebrochen werden musste.

Gut zu wissen: Bei einer Lyse-Therapie werden Thromben mit Hilfe von Medikamenten aufgelöst. Streptokinase ist ein Protein, welches fibrinolytisch, also Fibrin auflösend, wirkt und bei der Lyse-Therapie zum Einsatz kommt.

Bei der wenige Tage später stattfindenden phlebografischen Untersuchung wurde festgestellt, dass die betroffenen Venen zum Teil wieder geöffnet waren. Daraufhin wurde die Blutverdünnung mit Heparin fortgesetzt.

Gut zu wissen: Als Antikoagulation bezeichnet man die prophylaktische oder therapeutische Hemmung der Blutgerinnung durch Gabe von gerinnungshemmenden Medikamenten. Bei Heparin handelt es sich um ein solches gerinnungshemmendes Medikament.

Im weiteren Verlauf zeigte sich bei einer erneuten Phlebografie ein kompletter Verschluss ab Unterschenkelmitte, ein thrombotischer Verschluss der Kniekehlen-Vene sowie der Oberschenkelstrombahn bis zur Einmündung der saphena magna. Zudem kam es zu einem kompletten Verschluss der Beinvenen links und einem Verschluss der Beckenstrombahn.

Gut zu wissen: Die „Vena saphena magna“ ist die größte oberflächliche Vene der unteren Extremität. Sie beginnt am Innenknöchel und zieht am medialen Unter- und Oberschenkel entlang.

Erst nach fast zweimonatiger stationärer Behandlung konnte der Betroffene aus der Klinik entlassen werden.

Welche Behandlungsfehler sind dem Arzt bei der Behandlung der Thrombose unterlaufen?

Grober Behandlungsfehler – Arzt hat Thrombose nicht erkannt.

Das Gericht sah hierin – anders als die Vorinstanz – einen groben Behandlungsfehler. Die Folge der Annahme eines groben Behandlungsfehlers ist, dass nicht – wie im Regelfall – der Patient den ursächlichen Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden darstellen muss, sondern dass sich der Arzt nun entlasten muss.

Ein grober Behandlungsfehler kann insbesondere vorliegen, wenn Verstöße gegen elementare Behandlungsregeln, gegen elementare Erkenntnisse der Medizin oder therapeutisch grundloses Nichtanwenden einer Standardmethode zur Bekämpfung bekannter Risiken in Rede stehen. Dabei ist oft auch bedeutsam, ob bei einer Gesamtbetrachtung des Behandlungsgeschehens der Fehler nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint.

Unterlassene Befunderhebung zum Ausschluss der Thrombose.

Der behandelnde Arzt hätte schon bei der ersten Wiedervorstellung des Patienten der Ursache der geschilderten Wadenschmerzen nachgehen müssen. Er hätte dabei die Verdachtsdiagnose einer Venenthrombose stellen und diese durch Phlebografie abklären lassen müssen.

Fehlerhafte Diagnose „Muskelkater

Zwei Sachverständige bestätigten in übereinstimmenden Gutachten, dass es sich vorliegend um einen groben Behandlungsfehler handelte.

Der Arzt hätte an die Möglichkeit einer Venenthrombose denken müssen, wenn ein Patient so kurz nach einer Fußverletzung über Wadenschmerzen im betroffenen Bein klagt. Auch hätte er die beim Patienten bestehende Thromboseneigung durch gezieltes Befragen feststellen müssen.

Aber selbst ohne Anhaltspunkte für eine Thromboseneigung habe die Annahme einer Thrombose hier so nahe gelegen, dass eine Phlebografie zwingend erforderlich gewesen sei.

Weiterhin verstehe sich der vom Patienten geklagte „Muskelkater“ als Spannungsschmerz in der Wade, was Kardinalsymptom einer Thrombose sei.

Gerade im Zusammenhang mit einem Unfallereignis und einer damit verbundenen Ruhigstellung liege ein thrombotisches Geschehen nahe. Dabei sei es in jedem Fall angezeigt, diesen Verdacht zu bestätigen oder auszuschließen.

Die Gefahr einer Lungenembolie sei unvertretbar hoch. Zumindest hätte der Arzt die Beine ansehen und eine Umfangsmessung vornehmen müssen – vielmehr sei eine Phlebografie absolut angezeigt gewesen.

Die Diagnose „Muskelkater“ sei schlechthin unvertretbar.

Eine weitergehende Diagnostik drängte sich geradezu auf – dennoch führte sie der Arzt nicht durch.

Welche Folgen hatte die unterbliebene Behandlung der Thrombose?

Medizinische Folgen der unbehandelten Thrombose.

Folge dieses Fehlers war eine rund drei Wochen verspätet begonnene Behandlung mittels Streptokinase in der Klinik. Wäre die Phlebografie direkt angeordnet worden, wäre diese im Regelfall 4-5 Tage später durchgeführt worden. Dabei wäre die Venenthrombose festgestellt worden.

Bessere Chancen für Heilung bei früherer Behandlung der Thrombose.

Nach Ausführungen der Sachverständigen kann angesichts der Vorgeschichte des Patienten zwar nicht festgestellt werden, dass eine komplette Eröffnung der verschlossenen Venen und auch die weiteren Folgen – wie Makrohämaturie und Thrombose rechts – bei früherer Behandlung zu vermeiden gewesen wären. Die Chancen des Klägers wären aber bei früherem Therapiebeginn deutlich besser gewesen.

Andererseits kann nämlich auch nicht ausgeschlossen werden, dass ein früherer Beginn der Lyse-Therapie den Verlauf günstig beeinflusst hätte. Angesichts der Qualifizierung als grober Behandlungsfehler gehen die bestehenden Zweifel zu Lasten des Arztes. Dieser konnte sich im Prozess nicht entlasten

Erwerbsminderung um 40 % wegen unerkannter Thrombose.

Wegen anhaltender Arbeitsunfähigkeit kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Infolge der Fehlbehandlung erstattete ein Sachverständige ein Gutachten für die Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik. Darin ging es unter anderem um die bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die Erwerbsfähigkeit des Patienten.

Hier zeigten sich verschlechterte Abflussverhältnisse im Sinne von thrombotischen Beschwerden, verbunden mit Beinschwellungen und Schmerzen.

Aufgrund eines postthrombotischen Syndroms links und der Verschlimmerung des postthrombotischen Syndroms rechts stellte er eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 % fest. Eine wesentliche Besserung war laut Sachverständigem nicht zu erwarten.

Sind 16.000 Euro ein angemessener Schadensersatz für einen groben Behandlungsfehler im Bereich unerkannte Thrombose?

Schmerzensgeld für unerkannte Thrombose.

Eine angemessene Entschädigung in Form eines Schmerzensgeldes wird im deutschen Rechtssystem an verschiedenen Kriterien gemessen. In erster Linie bilden die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer sowie das Ausmaß der Beeinträchtigungen der Lebensführung im privaten und beruflichen Bereich die wesentliche Grundlage für die Bemessung der Entschädigung.

Dabei muss auch die Doppelfunktion des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden. Einerseits geht es beim Schmerzensgeld um Entschädigung und Ausgleich, andererseits auch um Genugtuung für das erlittene Leid.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes war hier folgendes zu berücksichtigen:

  • grober Behandlungsfehler des Arztes
  • Lyse-Therapie konnte nicht mehr zu einer Vollrekonstruktion der linken tiefen Beinvenen führen, Nierenbluten infolge intensiver Behandlung
  • es bildete sich auf der rechten Seite ebenfalls eine Venenthrombose.
  • zwei Monate Behandlung im Krankenhaus
  • bleibende Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 %
  • als Dauerschaden verbliebene ständige Schmerzen im rechten Bein.

Zu berücksichtigen war aber auch, dass der Patient um seine Thromboseneigung wusste und darauf bei Aktivitäten Rücksicht zu nehmen hat.

Zudem wäre der Krankenhausaufenthalt auch bei früherem Therapiebeginn – wenn auch ggf. kürzer – erforderlich geworden. Außerdem waren auch keine schweren Behinderungen, die den Patienten bei der täglichen Lebensführung nachhaltig beeinträchtigten, eingetreten.

Dazu kommt eine vergleichbare Entscheidung aus dem Jahr 1994. Hier sprach das OLG Oldenburg einer Patientin wegen einer unterlassenen Phlebografie 15.000 DM zu (OLG Oldenburg 5 U 132/93). Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint das zugesprochene Schmerzensgeld für damalige Verhältnisse angemessen.

Heute entspricht das Schmerzensgeld etwa einem Betrag von 16.000 Euro.

Verdienstausfallschaden nach verkannter Thrombose.

Dem Patienten stand dem Grunde nach auch ein Verdienstausfallschaden zu, dessen Höhe zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht feststand.

Weiterhin wurde die gerichtliche Feststellung getroffen, dass alle in Folge der Fehlbehandlung entstehenden Schäden durch den Beklagten zu ersetzen sind, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.

Fazit bei unerkannter Beinvenenthrombose

Eine angemessene Entschädigung bei schweren Schäden zu erhalten, wie z.B. wegen übersehener Thrombose im Bein, erfordert neben Erfahrung die nötige fachliche Kompetenz. Einen erfahrenen Anwalt für Medizinrecht an seiner Seite zu haben, ist deshalb besonders wichtig.

Die Kanzlei für Arzthaftung von Rechtsanwalt Christoph Mühl verfügt über das Fachwissen und die Erfahrung aus über 15 Jahren Tätigkeit für Opfer von Behandlungsfehlern.

Wenn Sie Fragen zu einem Behandlungsfehler im Zusammenhang mit einer unbehandelten Thrombose oder unterlassenen Diagnostik bei Vorliegen einer Beinvenenthrombose, vereinbaren Sie bei uns einen unverbindlichen und kostenlosen Termin: 0611 67774342.

Fachanwalt Christoph Mühl berät Sie gerne zum Thema Schmerzensgeld bei Ärztefehlern im Bereich Thrombose oder wenn Beschwerden nicht ernst genommen und eine tiefe Beinvenenthrombose nicht abgeklärt wird.

Mehr zum Thema fehlerhafte Behandlung einer Thrombose und Behandlungsfehler im Bereich Lungenembolie lesen Sie auf unserer Internetseite.

Christoph Mühl
Christoph MühlFachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwalt Christoph Mühl ist Patientenanwalt und hilft seit 2008 Opfern von ärztlichen Behandlungsfehlern, einen angemessenen Schadenersatz und Schmerzensgeld für Verletzungen zu erhalten, die bei Operationen und ärztlichen Behandlungen aufgetreten sind.

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