100.000 Euro Schmerzensgeld für übersehenen Beckenbruch

Medizinrecht: Beckenbruch übersehen.

Durch mehrere ärztliche Behandlungsfehler bei Behandlung einer Sturzverletzung (Beckenfraktur) kam es bei einer Patientin zu schwersten Gesundheitsschäden. Zwei verschiedene Ärzte (Unfallchirurgen) haben eine Beckenbruch übersehen und ihr Injektionen mit Cortison an dieser Stelle verabreicht. Dies führte zu einer Infektion mit gravierenden Folgen (Sepsis mit Multiorganversagen). Warum ihr das OLG Hamm (Urteil vom 04.12.2015 – I-26 U 33/14) nun eine Zahlung von insgesamt 100.000 € Schmerzensgeld zuspricht, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Wie konnte es zu einer durch grobe Behandlungsfehler verursachten Sepsis kommen?

Die Patientin stürzte während der Arbeit auf das Gesäß. Dabei erlitt sie eine schmerzhafte Beckenfraktur. Deshalb begab sie sich zum Ersten von gleich zwei Ärzten, der ihr, was sich noch zeigen wird, durch sein fehlerhaftes Verhalten noch weitaus mehr Schmerzen bereiten sollte. Der Unfallchirurg unterließ es bei der ersten Untersuchung, Röntgenaufnahmen anzufertigen, weshalb er die Beckenfraktur gar nicht erkennen konnte. Er diagnostizierte ohne jegliche bildgebende Untersuchung eine angebliche Knochenhautreizung an der Steißbeinspitze. Diese angebliche Ursache der Schmerzen wurde mit insgesamt acht Infiltrationen über den Zeitraum von ebenfalls acht tagen behandelt.

Gut zu wissen: Bei der Infiltrationstherapie werden flüssige, entzündungshemmende und/oder schmerzstillende Medikamente in die Haut oder auch tiefer liegende Bereiche injiziert.

Diese Therapie schlug nicht an, da sie für die Ausheilung der vom Arzt unerkannten Fraktur völlig ungeeignet ist. Aufgrund einer Verschlimmerung der Beschwerden begab sich die Patientin sodann in die Klinik des zweiten Arztes. Dort wurden sowohl MRT- als auch CT-Aufnahmen angefertigt. Jedoch war das Klinikpersonal nicht in der Lage, die Beckenfraktur zu erkennen. Es wurde weiterhin von einer Knochenhautreizung als Ursache der Beschwerden ausgegangen, die gar nicht vorlag. Ein klarer Fall von ärztlichem Versagen.

Die Folge waren weitere unnötige Injektionen, unter anderem genau an der Stelle des Frakturspalts durchgeführt, um die vermeintliche Reizung zu behandeln. Spätestens diese Injektionen führten jedoch genau zum Gegenteil des gewünschten Heilungseffekts.

Bei einem Knochen-Bruch (= Fraktur) sind sämtliche Injektionen mit Cortison oder anderen Mitteln dringendst zu unterlassen, da sie die Immunabwehr herabsetzen und die Gefahr für eine Infektion vergrößern. Diese Gefahr verwirklichte sich hier. Die Patientin erlitt eine Infektion an der Fraktur mit den schweren Folgen einer Sepsis. Dies hätte sich alles durch sachgemäße, dem ärztlichen Standard entsprechende, Diagnostik verhindern lassen können. Aus diesem fehlerhafte Verhalten ergibt sich ein Anspruch auf Schadensersatz.

Welche konkreten Behandlungsfehler sind den Ärzten vorzuwerfen?

Behandlungsfehler des ersten Arztes -Beckenbruch nicht abgeklärt

Dem ersten Arzt ist ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen, da er es trotz gleichbleibenden Beschwerden der Patientin unterlassen hat, mittels bildgebender Verfahren nach der Ursache der Schmerzen zu suchen und die Injektionen einfach fortsetzte.

Gut zu wissen: Bei einem groben Behandlungsfehler liegt ein medizinisches Fehlverhalten vor, welches aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint Bei einem groben Behandlungsfehler tritt gemäß § 630h V S.1 eine Beweislastumkehr ein. Das bedeutet, dass vermutet wird, dass die Injektionen auch für die Infektion beim Patienten ursächlich war. Dies muss dann nicht mehr vom Patientenanwalt bewiesen werden, sondern der Arzt muss beweisen, dass es nicht so ist. Dies gelingt in den seltensten Fällen. Die Annahme eines groben Behandlungsfehlers durch das Gericht ist für den Geschädigten also ein erster Sieg auf seinem Weg zu einer angemessen Kompensation.

Der Sachverständige rügte das Verhalten des Arztes hier eindeutig: „Für einen Facharzt drängt sich bei einem Sturzereignis die röntgenologische Befundung als absoluter Standard geradezu auf.“ Einfach so mit Injektionen zu beginnen entbehrt jeglichem ärztlichen Behandlungsstandard.

Arztfehler des zweiten Unfallchirurgen

Der zweite Orthopäde/Unfallchirurg führte zwar bildgebende Verfahren durch, hat die Fraktur (= Bruch) auf dem MRT und CT übersehen.

Der Sachverständige stellte aber unmissverständlich klar, dass die Fraktur von einem verständigen Arzt hätte erkannt werden müssen. In der Auswertung der Aufnahmen liegt deshalb ebenfalls ein grober Behandlungsfehler.

Hätten die Ärzte korrekt gearbeitet, wäre die Fraktur erkannt worden, die Injektionen unterblieben und eine Infektion verhindert worden. In der Konsequenz erlitt die Patientin schwerste gesundheitliche Schäden durch Ärztepfusch.

Da beide Ärzte für sich gesehen für die Schäden bei der geschädigten Patientin verantwortlich gemacht werden können, haften sie gemeinsam auf die vom Gericht erkannte Schmerzensgeld von 100.000 Euro.

Was waren die Folgen der Infektion?

Aufgrund der durch die Injektionen verursachte Infektion am Frakturspalt kam es bei der betroffenen Frau zu einer Sepsis.

Gut zu wissen: Die Sepsis, auch Blutvergiftung genannt, ist ein lebensbedrohlicher Zustand. Dieser entsteht, wenn die körpereigenen Abwehrreaktionen gegen eine Infektion die eigenen Gewebe und Organe schädigen. Sie ist eine der schwersten Komplikationen von Infektionskrankheiten.

Durch die Sepsis erlitt die Frau ein multiples Organversagen und es bildeten sich mehrere Abszesse in ihrem Körper.

Zu Ihrer Rettung war ein Luftröhrenschnitt erforderlich und sie befand sich durch die Sepsis in mehr als nur akuter Lebensgefahr. Sie musste lange künstlich beatmet werden, Antibiotika einnehmen und ein Krankenhausaufenthalt von 8 Monaten war zwingend erforderlich. Leider hat die Sepsis auch bleibende Folgen hinterlassen. Als Folge der Krankheit wird sie dauerhaft körperlich geschwächt sein. Eine Besserung der ebenfalls bestehenden Bewegungseinschränkungen ist laut den Sachverständigen nicht zu erwarten.

Sind 100.000 Euro Schmerzensgeld für übersehenen Beckenbruch mit Sepsis angemessen?

Sie fragen sich, wieviel Schmerzensgeld für übersehenen Beckenbruch angemessen sind? Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes können vergleichbare Entscheidungen helfen. Der Anspruch auf Schmerzensgeld soll dem Verletzten einen angemessenen Ausgleich für die erlittenen immateriellen Beeinträchtigungen und Genugtuung für das bieten, was ihm der Schädiger angetan hat. Angesichts der Schwere der Schäden muss hier eindeutig ein Schmerzensgeld im sechsstelligen Bereich zugesprochen werden. Die übersehene Beckenfraktur mit anschließender fehlerhafter Spritzentherapie hat schließlich zu einer lebensbedrohlichen Sepsis mit Multiorganversagen und fast ein Jahr Krankenhausbehandlung geführt.

Was können Sie tun, wenn bei Ihnen ein Beckenbruch übersehen und eine falsche Behandlungsmethode angewandt wird?

Der Zusammenhang zwischen fehlerhafter Behandlung und Schaden ist nicht einfach nachzuweisen. Umso wichtiger ist es, das ärztliche Fehlverhalten, wenn es einen groben Behandlungsfehler darstellt, auch als solchen darzulegen, um die Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang auf den Arzt überzuleiten. Dabei bedarf es viel Erfahrung und fachlicher Kompetenz. Einen erfahrenen Anwalt für Medizinrecht an seiner Seite zu haben, ist hier besonders wichtig. Die Kanzlei für Arzthaftung und Geburtsschäden von Rechtsanwalt Christoph Mühl verfügt über das Fachwissen und die Erfahrung aus 15 Jahren Tätigkeit für Opfer von Behandlungsfehlern. Wenn Sie Fragen zu einem Behandlungsfehler im Zusammenhang mit einer übersehenen Knochenfraktur haben, vereinbaren Sie bei uns einen unverbindlichen und kostenlosen Termin: 0611 67774342. Fachanwalt Christoph Mühl berät Sie gerne zum Thema Schmerzensgeld bei Fehlern im Bereich unerkannte Verletzungen, übersehene oder unerkannte Knochenbrüche und falsche Behandlungsmethoden.

Christoph Mühl
Christoph MühlFachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwalt Christoph Mühl ist Patientenanwalt und hilft seit 15 Jahren Opfern von ärztlichen Behandlungsfehlern, einen angemessenen Schadenersatz und Schmerzensgeld für Verletzungen zu erhalten, die bei Operationen und ärztlichen Behandlungen aufgetreten sind.

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