Schadenersatz wegen Behandlungsfehlern bei Herzerkrankungen.
Statistiken.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass jährlich knapp 18 Millionen Menschen an einer Herzerkrankung oder einem Herzinfarkt sterben. Mit rund 331.000 Toten im Jahr 2019 waren Herz-Kreislauf-Erkrankungen – vor allem ischämische Herzkrankheiten und Herzinfarkte – für mehr als ein Drittel der knapp 940.000 Todesfälle weltweit verantwortlich. In Deutschland sind Herzerkrankungen laut RKI die führende Todesursache und für 40% der Todesfälle verantwortlich. Eine Studie zeigt, dass knapp ein Drittel (29,9%) aller Herzinfarkt-Patienten eine falsche Diagnose erhalten (übersehener Herzinfarkt). Dies haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Leeds Universität in England ermittelt, deren Ergebnisse in der Fachzeitschrift „European Heart Journal Acute Cardiovascular Care“ veröffentlicht ist.
Frauen sind bei einem Herzinfarkt eher von ärztlichen Behandlungsfehlern betroffen.
Der Grund, weswegen Frauen bei einem Herzinfarkt mehr von Behandlungsfehlern betroffen sind, liegt darin, dass sich die Forschung von Herzkrankheiten traditionell auf Männer konzentriert. Deswegen ist auch der Stereotyp des typischen Herzpatienten ein Mann. Die Symptome von Herzerkrankungen werden bei Frauen wahrscheinlich herunter gespielt, vor allem bei einem Herzinfarkt. Diese Ungerechtigkeit und Ungleichheit zwischen den Geschlechtern ist bekannt, jedoch nach wie vor weit verbreitet. Und das, obwohl es laut Studien bei den wichtigsten Symptomen eines Herzinfarkts keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt. Eine aktuelle Studie der Universität Oxford bestätigt, dass bei Frauen mit einer um 9 % geringeren Wahrscheinlichkeit eine korrekte Diagnose einer Herzerkrankung gestellt wird als bei Männern; mit einer sogar 13 % geringeren Wahrscheinlichkeit bekommen Frauen die richtigen Medikamente verschrieben.
Diagnosefehler beim Herzinfarkt.
Das größte Problem ist die Diagnose eines Herzinfarktes. Ein Herzinfarkt bedarf wiederum einer Behandlung mit Medikamenten, die an sich schon eine Reihe von Risiken bergen. Der üblicherweise verwendete Troponin-Bluttest, welcher zur Diagnose von Herzinfarkten angewendet wird, erweist sich nicht immer als zuverlässig. Einer Studie aus dem Jahr 2019 zufolge haben 1 von 20 Patienten Troponin-Werte, die weit über dem empfohlenen Grenzwert liegen und zugleich keine Symptome für einen Herzinfarkt. Ein positiver Troponin-Test bedeutet daher nicht immer, dass ein Herzinfarkt vorliegt. Deshalb müssen immer die Symptome der PatientInnen sowie andere Untersuchungen (vor allem EKG) bei der Diagnosestellung berücksichtigt werden.
Die Studie zeigt, dass es notwendig ist, dass Ärzte die Blutwerte sehr sorgfältig prüfen. Damit lässt sich vermeiden, dass ein Herzinfarkt behandlungsfehlerhaft -weil falsch– diagnostiziert wird und eine fehlerhafte Behandlung eingeleitet wird, obwohl kein Herzinfarkt vorlag. Diese Behandlung kann letztlich auch eine an sich völlig unnötige Operation zur Erweiterung der Herzarterien beinhalten.
Mangel in Ausstattung und spezialisiertem Personal.
Kaum zu glauben, aber ein weiterer Grund für Behandlungsfehler in der Kardiologie ist der Mangel an Geräten, Ausstattung sowie an Radiologen, die die Aufnahmen auswerten. Tausende von Patienten mit Symptomen einer Herzkrankheit, vor allem mit Brustschmerzen, bekommen deshalb keine CT-Angiographie (CTA), mit welcher Herzerkrankungen ausgeschlossen oder frühzeitig erkannt werden können. Studien zeigen, dass bei weniger als einem Drittel der PatientInnen mit Brustschmerz eine CTA durchgeführt wird. Diese Untersuchung wird wiederum von führenden Wissenschaftlern für alle Patientinnen und Patienten mit solchen Symptomen empfohlen.
Herzschaden durch andere Ereignisse.
Herzschäden einschließlich eines Herzinfarktes und eines Herzstillstandes können aber auch durch andere Verletzungen überlagert werden (z.B. Brüche, die für jedermann sichtbar sind und sofort versorgt werden müssen). Das Problem liegt dann darin, dass man sich um andere gesundheitliche Probleme kümmert und denen den Vorrang gibt, während eine Herzschädigung nicht sofort erkannt wird (z.B. übersehener Herzinfarkt). Dadurch kommt es zu einer Verzögerung in der Behandlung des Herzmuskels.
Ein Artikel in der Zeitschrift Thorax beschreibt zum Beispiel Fälle, in denen es zu Herzschäden infolge eines Traumas nach einem Verkehrsunfall gekommen ist. All diese Herzschäden wurden erst viel später erkannt und behandelt. Bei einem dieser Fälle geht es um einen neunjährigen Jungen, welcher von einem Anhänger überfahren worden ist. Erst 17 Jahre später hat man eine schwere Herzschädigung bei ihm festgestellt, die mit der alten Verletzung zusammenhängt.
In einem anderen dort beschriebenen Fall hatte ein 18-jähriger Motorradfahrer einen Verkehrsunfall, bei dem er verschiedene Verletzungen erlitten hat. Erst nach zwei Tagen, als er kurzatmig geworden ist, hat man ein EKG gemacht. Dieses hat einen großen Schaden am Herzen des jungen Mannes aufgezeigt.
Unsere Kanzlei für Arzthaftung und Geburtsschäden in Wiesbaden hat alleine letztes Jahr drei Familien vertreten, die geliebte Menschen verloren haben, weil ein Herzinfarkt nicht diagnostiziert wurde. Dadurch haben die betroffenen Patienten einige Stunden später einen tödlichen Herzstillstand erlitten. In einem anderen von uns vertretenen Fall wurde auf eine Herzerkrankung zu spät reagiert, mit der Folge, dass die Angehörigen ebenfalls einen geliebten Menschen verloren haben.
Wenn Sie eine ärztliche Behandlung benötigen, erwarten Sie, dass die Krankheit ordnungsgemäß diagnostiziert und nach dem geltenden Behandlungsstandard behandelt wird. Sicherlich erwarten Sie nicht, dass eine Herzerkrankung oder ein Herzinfarkt übersehen und nicht behandelt werden oder dass Sie z.B. wegen einer angeblichen Herzkrankheit behandelt werden, die bei Ihnen gar nicht vorliegt. In diesen Fällen stehen Ihnen Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen ärztlichen Behandlungsfehlern aufgrund übersehenen Herzinfarktes zu.