Querschnittslähmung nach HWS-Operation: Rechtliche Einordnung und Handlungsoptionen für Betroffene.

Wenn der Eingriff an der Halswirbelsäule zur Katastrophe wird.

Operationen an der Halswirbelsäule (HWS) zählen zu den anspruchsvollsten Eingriffen in der Wirbelsäulenchirurgie. Die anatomische Nähe zum Rückenmark erfordert höchste chirurgische Präzision und sorgfältige präoperative Diagnostik. Kommt es zu Komplikationen wie einer Querschnittslähmung, sind die Folgen für Betroffene verheerend: ein Leben im Rollstuhl, Abhängigkeit von fremder Hilfe und tiefgreifende Einschnitte in die persönliche Lebensführung.

Für Patienten, die nach einer HWS-Operation mit einer Querschnittslähmung konfrontiert sind, stellt sich neben der medizinischen Rehabilitation auch die Frage nach der rechtlichen Bewertung des Geschehens. Wurden alle erforderlichen Untersuchungen durchgeführt? War die Operation überhaupt indiziert? Wurde die richtige Operationsmethode gewählt? Und nicht zuletzt: Wer trägt die Verantwortung für die eingetretenen Schäden?

Querschnittslähmung nach HWS-Operation

Juristische Einordnung: Arzthaftung bei Behandlungsfehlern im Bereich der Wirbelsäulenchirurgie.

Rechtliche Grundlagen der Arzthaftung.

Die rechtliche Bewertung von Behandlungsfehlern bei HWS-Operationen folgt den allgemeinen Grundsätzen des Arzthaftungsrechts. Nach § 630a BGB schuldet der Behandelnde eine Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards. Weicht ein Arzt vom medizinischen Standard ab und entsteht dadurch ein Gesundheitsschaden, kann dies einen Schadensersatzanspruch begründen.

Bei HWS-Operationen mit nachfolgender Querschnittslähmung kommen typischerweise mehrere Fehlerquellen in Betracht:

  1. Befunderhebungsfehler: Unterlassen notwendiger präoperativer Diagnostik
  2. Fehler bei der Indikation: Operation ohne hinreichende medizinische Notwendigkeit
  3. Mangelhafte OP-Methode: Wahl einer ungeeigneten oder kontraindizierten Operationsmethode
  4. Aufklärungsfehler: Unzureichende Aufklärung über Risiken und Behandlungsalternativen
  5. Mangelhafte OP-Durchführung: Fehlerhafte Durchführung der Operation selbst
  6. Unzureichende Nachsorge: Verzögertes Erkennen oder Behandeln postoperativer Komplikationen

Beweislast und Beweiserleichterungen.

Grundsätzlich trägt der Patient die Beweislast für den Behandlungsfehler und dessen Kausalität für den eingetretenen Schaden. Bei schwerwiegenden Fehlern greift jedoch eine Beweislastumkehr zugunsten des Patienten. Dies ist besonders relevant bei:

  • Groben Behandlungsfehlern (elementare Verstöße gegen gesicherte medizinische Erkenntnisse)
  • Befunderhebungsfehlern (Unterlassen zwingend gebotener Diagnostik)
  • Dokumentationsversäumnissen

Bei einer Querschnittslähmung nach einer HWS-Operation kann insbesondere die Unterlassung einer erforderlichen präoperativen Diagnostik (wie MRT oder neurologische Untersuchung) einen groben Befunderhebungsfehler darstellen, der zu einer Beweislastumkehr führt.

Juristische Einordnung: Wann liegt ein Behandlungsfehler vor?

Im Medizinrecht gilt der Grundsatz, dass Ärzte und Krankenhäuser für Schäden haften, die durch fehlerhafte Behandlung entstehen. Die gesetzliche Grundlage hierfür bildet § 630a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der die allgemeinen Pflichten aus dem Behandlungsvertrag regelt.

Definition des Behandlungsfehlers.

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn die medizinische Behandlung nicht dem zum Zeitpunkt der Behandlung geltenden medizinischen Standard entspricht. Bei der Beurteilung wird gefragt: Wie hätte ein sorgfältiger, besonnener Arzt derselben Fachrichtung in der konkreten Situation gehandelt?

Besondere Bedeutung kommt im Arzthaftungsrecht dem sogenannten „groben Behandlungsfehler“ zu. Dieser liegt vor, wenn der Fehler aus objektiver Sicht schlechterdings nicht nachvollziehbar ist und einem Arzt schlichtweg nicht unterlaufen darf. Die rechtliche Folge ist bedeutsam: Es kommt zu einer Beweislastumkehr gemäß § 630h BGB. Der Arzt oder das Krankenhaus muss dann beweisen, dass der Fehler nicht ursächlich für den eingetretenen Schaden war – eine erhebliche Erleichterung für den betroffenen Patienten.

Fallbeispiel: Urteil des OLG Hamm zur Querschnittslähmung nach HWS-Operation.

Ein Urteil des OLG Hamm (Urteil vom 11.11.2016 Az. 26 U 111/15) verdeutlicht die rechtliche Bewertung von Behandlungsfehlern im Zusammenhang mit HWS-Operationen. In dem vom Oberlandesgericht entschiedenen Fall erlitt eine Patientin nach einer Operation an der Halswirbelsäule eine vollständige Querschnittslähmung unterhalb C3.

Sachverhalt und Entscheidung.

Die Klägerin, eine 49-jährige Krankenschwester, litt ursprünglich unter Rückenschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Nach stationärer Diagnostik empfahl die beklagte Klinik eine ventrale Dekompression und Fusion der Halswirbel C4-7 sowie die Implantation einer Bandscheibenprothese C3/4. Unmittelbar nach der Operation trat eine zunehmende Schwäche aller vier Extremitäten auf, die trotz zweier Revisionsoperationen in einer kompletten Querschnittslähmung resultierte.

Das Gericht stellte mehrere schwerwiegende Fehler fest:

  1. Unzureichende präoperative Diagnostik:
    • Unterlassen einer neurologischen Untersuchung
    • Fehlende MRT-Untersuchung zur differentialdiagnostischen Abklärung
  2. Fehlerhafte Operationsindikation:
    • Allenfalls relative, keine absolute OP-Indikation
    • Fehlende Ausschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten
  3. Ungeeignete Operationsmethode:
    • Kombination von Bandscheibenprothese und angrenzender Fusion kontraindiziert
    • Operative Behandlung von mehr als drei Etagen
  4. Fehlende Aufklärung über Behandlungsalternativen:
    • Unterlassen eines Gesprächs über konservative Behandlungsmöglichkeiten

Das Gericht sah in der Vielzahl dieser Fehler eine insgesamt grob fehlerhafte ärztliche Behandlung und verurteilte die Klinik zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 400.000 EUR sowie zum Ersatz zukünftiger materieller Schäden. Heute müssten aufgrund der zwischenzeitlichen Inflation mindestens 505.000 EUR zugesprochen werden.

Querschnittslähmung nach einer Operation an der Halswirbelsäule

Rechtliche Bewertung und Bedeutung für Betroffene.

Diese Entscheidung unterstreicht mehrere wichtige Grundsätze des Arzthaftungsrechts:

  1. Umfassende präoperative Diagnostik ist unverzichtbar: Vor schwerwiegenden Eingriffen an der Wirbelsäule müssen alle relevanten Befunde erhoben werden.
  2. Operative Eingriffe erfordern eine hinreichende Indikation: Insbesondere bei schwerwiegenden Eingriffen darf nicht ohne klare medizinische Notwendigkeit operiert werden.
  3. Konservative Behandlungsalternativen müssen ausgeschöpft werden: Vor invasiven Eingriffen müssen weniger invasive Therapieoptionen erwogen und besprochen werden.
  4. Die Operationsmethode muss sachgerecht sein: Die gewählte Technik muss dem medizinischen Standard entsprechen und für den konkreten Fall geeignet sein.
  5. Beweislastumkehr bei groben Fehlern: Bei schwerwiegenden Verstößen gegen den medizinischen Standard wird die Beweislast zugunsten des Patienten umgekehrt.

Was Betroffene einer Querschnittslähmung nach HWS-Operation tun sollten.

Sofortige Beweissicherung.

Für Betroffene einer Querschnittslähmung nach HWS-OP ist schnelles Handeln entscheidend:

  1. Vollständige Sicherung der Krankenunterlagen:
    • Anforderung aller Behandlungsunterlagen (Patientenakte anfordern)
    • Sicherung aller Röntgen-, CT- und MRT-Bilder
    • Dokumentation des postoperativen Verlaufs
  2. Unabhängige ärztliche Zweitmeinung:
    • Begutachtung durch einen unabhängigen Facharzt
    • Dokumentation des aktuellen Gesundheitszustands und der Prognose
  3. Dokumentation aller Folgen:
    • Pflegeaufwand und Hilfsmittelbedarf
    • Berufliche Einschränkungen
    • Psychische Belastungen

Einhaltung von Fristen.

Bei der Durchsetzung von Ansprüchen sind verschiedene Fristen zu beachten:

  • Dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche (beginnt mit Kenntnis vom Schaden und der Person des Schädigers)
  • Fristen bei Privatversicherten für die Einreichung von Behandlungskosten
  • Antragsfrist für Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung

Erste rechtliche Schritte.

  1. Spezialisierte anwaltliche Beratung: Frühzeitige Konsultation eines Fachanwalts für Medizinrecht mit Erfahrung im Bereich Wirbelsäulenschäden
  2. Medizinisches Sachverständigengutachten: Einholung einer fundierten medizinischen Bewertung des Behandlungsgeschehens
  3. Außergerichtliche Korrespondenz: Kontaktaufnahme mit Haftpflichtversicherung des Behandlers/der Klinik

Schlichtungsverfahren: Prüfung der Möglichkeit eines Verfahrens vor der Gutachterkommission oder Schlichtungsstelle der Ärztekammer.

Kostenloses Gutachten durch Krankenkasse: Für gesetzlich Versicherte bieten die Krankenkassen die Möglichkeit,  ein kostenloses Gutachten zu der Frage zu bekommen, ob ein Behandlungsfehler vorliegt.

Querschnittslähmung nach einer HWS Operation

Wie kann ein Fachanwalt für Medizinrecht bei Querschnittslähmung nach HWS-Operation helfen.

Die Durchsetzung von Ansprüchen bei Querschnittslähmung nach HWS-OP erfordert spezialisiertes rechtliches und medizinisches Fachwissen. Ein Fachanwalt für Medizinrecht unterstützt Betroffene durch:

  1. Bewertung der medizinischen Dokumentation: Analyse der Behandlungsunterlagen auf Hinweise für Behandlungsfehler
  2. Koordination medizinischer Sachverständigengutachten: Auswahl geeigneter unabhängiger Gutachter und Formulierung präziser Beweisfragen
  3. Schadensberechnung: Ermittlung des angemessenen Schmerzensgeldes und der materiellen Schadensersatzansprüche
  4. Verhandlung mit Versicherungen: Kompetente Vertretung gegenüber Haftpflichtversicherungen
  5. Prozessvertretung: Durchsetzung der Ansprüche vor Gericht, falls eine außergerichtliche Einigung nicht möglich ist

Unsere erfahrene Kanzlei ist bereits seit 2008 ausschließlich auf Patientenseite tätig und unterstützt Geschädigte nach Behandlungsfehlern im Zusammenhang mit einer HWS-Operation.

Recht auf Entschädigung bei Querschnittslähmung nach einer Operation an der HWS.

Eine Querschnittslähmung nach einer HWS-Operation stellt einen der schwerwiegendsten Behandlungsschäden dar. Betroffene haben ein Recht auf umfassende Kompensation für die erlittenen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen sowie die materiellen Folgen.

Die juristische Aufarbeitung kann den erlittenen Schaden nicht ungeschehen machen, trägt jedoch zur finanziellen Absicherung bei und ermöglicht den Zugang zu bestmöglicher Rehabilitation und Hilfsmitteln. Zudem kann die rechtliche Klärung für viele Betroffene auch ein wichtiger Schritt der persönlichen Bewältigung sein.

Angesichts der Komplexität medizinrechtlicher Fragestellungen und der hohen Anforderungen an die Beweisführung ist die frühzeitige Konsultation eines spezialisierten Rechtsanwalts dringend anzuraten. Nur so können die Erfolgsaussichten realistisch eingeschätzt und alle prozessualen Möglichkeiten optimal genutzt werden.

Christoph Mühl
Christoph MühlRechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwalt Christoph Mühl ist Patientenanwalt und hilft seit 2008 Opfern von ärztlichen Behandlungsfehlern, einen angemessenen Schadenersatz und Schmerzensgeld für Verletzungen zu erhalten, die bei Operationen und ärztlichen Behandlungen aufgetreten sind.
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Häufige Fragen zum Thema Querschnittslähmung nach HWS-Operation.

Welche Höhe an Schmerzensgeld ist bei Querschnittslähmung nach HWS-Operation zu erwarten?

Bei einer Querschnittslähmung nach HWS-Operation können Schmerzensgelder in erheblicher Höhe zugesprochen werden. Die Beträge liegen typischerweise zwischen 300.000 und 800.000 Euro, abhängig vom Ausmaß der Lähmung, dem Alter des Patienten und weiteren individuellen Faktoren. Im dargestellten Fall sprach das Gericht 400.000 Euro Schmerzensgeld zu.

Wie lange dauert ein Verfahren bei Querschnittslähmung nach HWS-Operation?

Arzthaftungsprozesse bei schwerwiegenden Schäden wie einer Querschnittslähmung dauern regelmäßig mehrere Jahre. Von der ersten Beratung bis zum rechtskräftigen Urteil vergehen häufig zwei bis vier Jahre, in komplexen Fällen auch länger. Ein erfahrener Fachanwalt kann jedoch oft eine außergerichtliche Einigung herbeiführen, die das Verfahren verkürzt.

Welche Beweise benötige ich für einen erfolgreichen Anspruch?

Entscheidend sind die vollständigen Behandlungsunterlagen, insbesondere OP-Berichte, Bildgebung (MRT, CT), Pflegedokumentation und Arztbriefe. Hinzu kommen medizinische Sachverständigengutachten, die den Behandlungsfehler und dessen Kausalität für die Querschnittslähmung bestätigen. Auch die Dokumentation aller Folgeschäden durch behandelnde Ärzte und Therapeuten ist wichtig. Erstellen Sie ein Gedächtnisprotokoll über den gesamten Ablauf; denn Erinnerungen verblassen schnell.

Kann ich auch bei einer bekannten Komplikation Ansprüche geltend machen?

Ja, auch bei bekannten Komplikationen können Ansprüche bestehen, wenn die Komplikation auf einem Behandlungsfehler beruht. Entscheidend ist nicht das Risiko der Operation selbst, sondern ob bei Indikationsstellung, Durchführung und Nachsorge der medizinische Standard eingehalten wurde. Aber auch bei fehlender oder unzureichender Aufklärung können auch bei typischen Komplikationen Ansprüche bestehen.

Was kann ich tun, wenn die Ärzte behaupten, die Querschnittslähmung sei schicksalhaft entstanden?

Die Behauptung einer schicksalhaften Entstehung ist eine typische Verteidigungsstrategie in Arzthaftungsfällen. Ein spezialisierter Fachanwalt für Medizinrecht wird gezielt Beweise vorlegen und durch unabhängige Sachverständigengutachten feststellen, ob tatsächlich ein unvermeidbares Risiko oder doch ein Behandlungsfehler vorlag. Bei groben Fehlern greift zudem eine Beweislastumkehr, die die Beweissituation für den Patienten erheblich verbessert.

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