Nicht erkannte Mittelfußfraktur als Behandlungsfehler: Sorgfaltspflichten und Patientenansprüche.
Inhalt
Die unterschätzte Gefahr: Mittelfußfrakturen und ihre Folgen.
Eine Fraktur am Mittelfußknochen gehört zu den Verletzungen, die in der ärztlichen Diagnostik leicht übersehen werden können, besonders wenn sie mit Begleitverletzungen wie Prellungen oder Distorsionen (Verstauchungen) einhergehen. Die Folgen nicht erkannter Mittelfußbrüche können jedoch gravierend sein – von chronischen Schmerzen über Fehlstellungen bis hin zu schwerwiegenden Komplikationen wie einem Charcot-Fuß bei Risikopatienten, besonders bei Diabetikern mit Polyneuropathie.
In der medizinrechtlichen Praxis begegnen uns regelmäßig Fälle, in denen Patienten mit Fußverletzungen unzureichend diagnostiziert und behandelt wurden. Die rechtliche Bewertung solcher Fälle ist oft komplex und erfordert tiefgreifende medizinische und juristische Kenntnisse, um die Ansprüche der Betroffenen durchzusetzen.

Rechtliche Grundlagen bei übersehenen Mittelfußfrakturen
Nach §§ 630a ff. BGB ist der behandelnde Arzt verpflichtet, die Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden allgemein anerkannten fachlichen Standards durchzuführen. Dies umfasst auch die Pflicht zur sorgfältigen Diagnostik, insbesondere bei Risikopatienten.
Wird ein Bruch am Mittelfußknochen nicht erkannt, kann dies verschiedene haftungsrechtliche Konsequenzen haben:
- Befunderhebungsfehler: Der Arzt versäumt es, gebotene diagnostische Maßnahmen (wie Röntgenaufnahmen des gesamten Fußes) durchzuführen.
- Diagnosefehler: Eine Fehlinterpretation der erhobenen Befunde liegt vor – was allerdings nur in bestimmten Fällen als Behandlungsfehler gewertet wird.
- Therapiefehler: Trotz korrekter Diagnose erfolgt keine adäquate Therapie.
Von besonderer Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen einem Diagnoseirrtum und einem Befunderhebungsmangel. Während ein Diagnoseirrtum dem Arzt unter Umständen zugestanden wird, stellt das Versäumnis, gebotene Befunde zu erheben, regelmäßig einen Behandlungsfehler dar, der Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann.
Verpflichtung zur verstärkten Sorgfalt bei Risikopatienten
Ein aktuelles Urteil des OLG Köln (5 U 13/17) verdeutlicht die erhöhten Sorgfaltspflichten bei der Behandlung von Risikopatienten. Im konkreten Fall hatte ein Durchgangsarzt bei einem Patienten mit Diabetes mellitus und daraus resultierender Polyneuropathie eine Mittelfußfraktur übersehen, was zur Entwicklung eines Charcot-Fußes führte.
Das Gericht stellte fest:
- Ein Durchgangsarzt, der nach einem Arbeitsunfall ein Umknicktrauma diagnostiziert, muss – insbesondere, wenn er von einer diabetischen Polyneuropathie des Patienten erfährt – die Möglichkeit einer Fußknochenbeteiligung in Betracht ziehen und röntgenologisch abklären.
- Das Versäumnis dieser Abklärung stellt einen Befunderhebungsmangel dar und nicht einen bloßen Diagnosefehler.
- Bei einer solchen haftungsbegründenden Pflichtverletzung kann ein Schmerzensgeld von 50.000 EUR gerechtfertigt sein, wenn es zur Ausbildung eines Charcot-Fußes kommt.
Häufige Fallkonstellationen in der Praxis
In unserer Kanzleipraxis begegnen uns regelmäßig bestimmte Fallkonstellationen im Zusammenhang mit nicht erkannten Mittelfußfrakturen:
Szenario 1: Unzureichende Diagnostik bei Unfallereignissen
Bei Unfällen wird oft nur das obere Sprunggelenk geröntgt, nicht aber der gesamte Fuß. Besonders bei diabetischen Patienten mit Polyneuropathie ist eine umfassendere bildgebende Diagnostik geboten, da diese Patienten Schmerzen oft nicht adäquat wahrnehmen und beschreiben können.
Szenario 2: Fehlende Berücksichtigung von Risikofaktoren
Ärzte übersehen manchmal die besondere Gefährdung von Diabetikern, Übergewichtigen oder Patienten mit anderen Grunderkrankungen und passen ihre diagnostischen Maßnahmen nicht entsprechend an.
Szenario 3: Unzureichende Kontrollen im Behandlungsverlauf
Wenn trotz persistierender oder sich verschlimmernder Symptome keine erneute oder weiterführende Diagnostik erfolgt, kann dies zu schwerwiegenden Komplikationen führen, insbesondere bei Schadenersatz nach fehlerhafter Dekubitusprophylaxe.

Wichtige Maßnahmen für Betroffene
Wenn Sie den Verdacht haben, dass eine Mittelfußfraktur übersehen wurde oder Ihre Behandlung nicht fachgerecht erfolgte, sollten Sie folgende Schritte unternehmen:
1. Medizinische Dokumentation sichern
Fordern Sie umgehend sämtliche Behandlungsunterlagen an, insbesondere Arztberichte, Röntgenbilder und andere bildgebende Verfahren. Sie haben darauf ein gesetzliches Recht gemäß § 630g BGB.
2. Zweitmeinung einholen
Suchen Sie einen Facharzt auf und lassen Sie sich eine unabhängige Zweitmeinung geben. Dies kann nicht nur medizinisch wichtig sein, sondern auch zur Beweissicherung dienen.
3. Fristen beachten
Bedenken Sie, dass für Schadensersatzansprüche Verjährungsfristen gelten (in der Regel drei Jahre zum Jahresende). Diese beginnen mit Kenntnis vom Schaden und der Person des Schädigers.
4. Rechtzeitig fachlichen Rat einholen
Konsultieren Sie einen auf Arzthaftung spezialisierten Anwalt, der Erfahrung mit Fällen von nicht erkannten Mittelfußfrakturen hat. Nur so können Ihre Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld umfassend geprüft und durchgesetzt werden.

Die Bedeutung spezialisierter anwaltlicher Vertretung.
Bei komplexen medizinrechtlichen Fragestellungen wie im Fall einer übersehenen Mittelfußfraktur ist die Beauftragung eines spezialisierten Fachanwalts für Medizinrecht unerlässlich. Ein erfahrener Rechtsanwalt kann:
- Die medizinische Dokumentation fachkundig auswerten
- Qualifizierte medizinische Sachverständige einbinden
- Die Kausalität zwischen Behandlungsfehler und eingetretenem Schaden nachweisen
- Die Höhe des angemessenen Schmerzensgeldes bemessen
- Verhandlungen mit Haftpflichtversicherungen führen
- Bei Bedarf den gerichtlichen Weg beschreiten
Insbesondere bei schwerwiegenden Folgeschäden wie einem Charcot-Fuß mit dauerhaften Beeinträchtigungen der Mobilität und Arbeitsfähigkeit sind erhebliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen wie im Fall der Amputation wegen Behandlungsfehler durchsetzbar.
Ihre Rechte bei übersehener Mittelfußfraktur.
Eine nicht erkannte Mittelfußfraktur kann gravierend in Ihr Leben eingreifen – besonders wenn Sie zu einer Risikogruppe gehören. Das deutsche Arzthaftungsrecht bietet Betroffenen jedoch wirksame Instrumente, um Schadensersatz und Schmerzensgeld durchzusetzen.
Der Nachweis eines Behandlungsfehlers und die Durchsetzung berechtigter Ansprüche erfordern spezialisiertes Fachwissen und Erfahrung. Scheuen Sie nicht, Ihre Rechte geltend zu machen und sich dabei fachkundige Unterstützung zu sichern. Ein erfahrener Fachanwalt für Medizinrecht kann Sie durch den komplexen Prozess leiten und dafür sorgen, dass Ihre Ansprüche angemessen gewürdigt werden.
Häufige Fragen zum Thema nicht erkannte Mittelfußfraktur & Diagnosefehler
1. Wie lange habe ich Zeit, Ansprüche wegen einer übersehenen Mittelfußfraktur geltend zu machen?
In der Regel gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren zum Jahresende ab Kenntnis des Behandlungsfehlers und der Person des Schädigers. Beachten Sie jedoch, dass die Beweisführung mit zunehmendem zeitlichem Abstand schwieriger werden kann.
2. Welche Entschädigungssummen sind bei übersehenen Mittelfußfrakturen realistisch?
Die Höhe der Entschädigung hängt maßgeblich von den konkreten Folgen ab. Bei schwerwiegenden Folgeschäden wie einem Charcot-Fuß können Schmerzensgelder von 50.000 EUR und mehr zugesprochen werden, wie das Urteil des OLG Köln – 5 U 13/17 zeigt.
3. Muss ich bei einer Klage wegen eines Behandlungsfehlers in Vorleistung gehen?
In vielen Fällen kann eine Rechtsschutzversicherung die Kosten übernehmen (achten Sie darauf, ob Schadensersatz-Rechtsschutz versichert ist). Namhafte Patientenanwälte und Kanzleien für Arzthaftungsrecht bieten meist eine kostenlose Ersteinschätzung an.
4. Welche besonderen Beweiserleichterungen gibt es bei übersehenen Frakturen?
Bei einem Befunderhebungsmangel, wie dem Unterlassen gebotener Röntgenuntersuchungen, können Beweiserleichterungen gemäß § 630h Abs. 5 BGB greifen. Der Patient muss dann nicht den vollen Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen Fehler und Schaden führen.
5. Kann ich auch dann Ansprüche geltend machen, wenn ein Behandlungsfehler bei einem Durchgangsarzt (D-Arzt) nach einem Arbeitsunfall passiert ist?
Ja, auch bei Durchgangsärzten können Haftungsansprüche bestehen. Der Arzt haftet persönlich, wenn er nicht nur hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, sondern auch die weitere Behandlung übernimmt.