Querschnittslähmung durch Behandlungsfehler bei einer Operation.
Eine Querschnittslähmung bei einer Operation gehört zu den verheerendsten Komplikationen, die ein Patient erleiden kann. In einem Moment noch voller Hoffnung auf Besserung, im nächsten konfrontiert mit einer lebensverändernden Diagnose, die sämtliche Zukunftspläne auf den Kopf stellt. Besonders tragisch ist es, wenn der Verdacht besteht, dass diese schwerwiegende Folge auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen sein könnte.

Inhalt
- Eine Querschnittslähmung führt zu massiven Veränderungen für Betroffene.
- Wann liegt ein Behandlungsfehler vor?
- Typische Fallkonstellationen, in denen es bei einer Operation zu einer Querschnittslähmung kommen kann.
- Beispiel aus der Rechtsprechung.
- Was Betroffene tun sollten: Erste Schritte nach dem Verdacht auf einen Behandlungsfehler.
- Häufige Fragen zu Querschnittslähmung durch einen Behandlungsfehler.
Eine Querschnittslähmung führt zu massiven Veränderungen für Betroffene.
Für Patienten, die nach einer Operation mit einer Querschnittslähmung konfrontiert werden, bricht eine Welt zusammen. Die körperlichen Einschränkungen, der Verlust der Selbstständigkeit und die enormen finanziellen Belastungen durch Pflegebedarf, Umbaumaßnahmen und berufliche Einschränkungen stellen die Betroffenen vor nahezu unüberwindbare Herausforderungen.
Wenn der Verdacht besteht, dass die Querschnittslähmung auf einen Behandlungsfehler bei einer Operation zurückzuführen ist, kommt zur persönlichen Tragödie noch die Frage nach der rechtlichen Aufarbeitung hinzu: Hätte das Leiden verhindert werden können? Wer trägt die Verantwortung? Und wie können Betroffene zu ihrem Recht kommen?
Wann liegt ein Behandlungsfehler vor?
Im Medizinrecht gilt der Grundsatz, dass Ärzte und Krankenhäuser für Schäden haften, die durch fehlerhafte Behandlung entstehen. Die gesetzliche Grundlage hierfür bildet § 630a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der die allgemeinen Pflichten aus dem Behandlungsvertrag regelt.
Definition des Behandlungsfehlers.
Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn die medizinische Behandlung nicht dem zum Zeitpunkt der Behandlung geltenden medizinischen Standard entspricht. Bei der Beurteilung wird gefragt: Wie hätte ein sorgfältiger, besonnener Arzt derselben Fachrichtung in der konkreten Situation gehandelt?
Besondere Bedeutung kommt im Arzthaftungsrecht dem sogenannten „groben Behandlungsfehler“ zu. Dieser liegt vor, wenn der Fehler aus objektiver Sicht schlechterdings nicht nachvollziehbar ist und einem Arzt schlichtweg nicht unterlaufen darf. Die rechtliche Folge ist bedeutsam: Es kommt zu einer Beweislastumkehr gemäß § 630h BGB. Der Arzt oder das Krankenhaus muss dann beweisen, dass der Fehler nicht ursächlich für den eingetretenen Schaden war – eine erhebliche Erleichterung für den betroffenen Patienten.
Typische Fallkonstellationen, in denen es bei einer Operation zu einer Querschnittslähmung kommen kann.
Querschnittslähmungen nach Operationen können verschiedene Ursachen haben. Zu den häufigsten Fallkonstellationen zählen:
1. Fehler bei Operationen an der Wirbelsäule.
Bei Eingriffen an der Wirbelsäule besteht ein erhöhtes Risiko von Nervenschädigungen. Kritische Fehlerquellen können sein:
- Fehlerhafte Platzierung von Schrauben oder Implantaten
- Unzureichende Dekompression von Nervenstrukturen
- Verletzungen des Rückenmarks durch chirurgische Instrumente
- Unzureichende Blutstillung mit nachfolgender Kompression des Rückenmarks durch Hämatome
2. Fehlerhafte Anästhesie.
Auch bei der Narkoseführung können Fehler zu irreversiblen Nervenschäden führen:
- Fehlerhafte Durchführung von Regionalanästhesien (z.B. bei Spinalanästhesien)
- Komplikationen bei der Intubation mit nachfolgender Sauerstoffunterversorgung
- Unzureichendes Monitoring der Vitalfunktionen während der Operation
3. Behandlungsfehler in der postoperativen Phase.
Nach der Operation ist eine sorgfältige Überwachung entscheidend:
- Verspätetes Erkennen von Nachblutungen mit Kompression des Rückenmarks
- Übersehen von neurologischen Ausfallerscheinungen
- Verzögerte Reaktion auf Warnzeichen einer beginnenden Querschnittslähmung
4. Lagerungsschäden.
Während längerer Operationen kann eine fehlerhafte Lagerung zu Nerven- und Gefäßschäden führen:
- Druckschäden an peripheren Nerven
- Durchblutungsstörungen mit nachfolgender Schädigung des Rückenmarks

Beispiel aus der Rechtsprechung.
Ein aufschlussreiches Beispiel aus der Rechtsprechung ist das Urteil des OLG München vom 23.04.2020 (Az. 1 U 256/17). In diesem Fall erlitt eine 14-jährige Patientin nach einer Aufrichtungsoperation an der Wirbelsäule eine Querschnittslähmung. Grund dafür war ein fehlplatzierter zentraler Venenkatheter (ZVK) im Spinalkanal. Als die Ärzte dies schließlich erkannt haben, war es zu spät!
Das Gericht bewertete insbesondere die Abläufe nach der Operation als grob fehlerhaft: Eine überdosierte Sedierung der Patientin erschwerte die neurologische Kontrolle, und bei der Befundung der CT-Aufnahmen wurde die offensichtliche Fehllage des ZVK übersehen. Das OLG München hat ein Schmerzensgeld von 500.000 € für angemessen erachtet.
Kritisch zu betrachten ist die vom Gericht angeführte „Schallgrenze“ von damals 600.000 € für Schmerzensgeld bei Behandlungsfehlern.
Diese Begrenzung wurde mit dem Argument der Kalkulierbarkeit und Versicherbarkeit des Haftungsrisikos begründet.
Aus Patientensicht erscheint diese Argumentation äußerst problematisch: Bei einer Querschnittslähmung, die das Leben fundamental und unwiederbringlich verändert, erscheint eine (künstliche) Begrenzung aufgrund der Versicherbarkeit des Risikos vollkommen unangemessen. Denn versicherungstechnische Gründe sind dürfen kein Argument für die Höhe eines Schmerzensgeldes darstellen. Dadurch kommt es zu einer ungerechten und ungerechtfertigten Abwälzung des unternehmerischen Risikos des Arztes und des Krankenhauses auf die ohnehin schon schwer geschädigte Patientin.

Was Betroffene tun sollten: Erste Schritte nach dem Verdacht auf einen Behandlungsfehler.
Wenn Sie bei einer Operation eine Querschnittslähmung erlitten haben und nun vermuten, dass ein Behandlungsfehler dafür verantwortlich sein könnte, sind folgende Schritte entscheidend:
1. Medizinische Unterlagen sichern.
Die Patientenakte ist das wichtigste Beweismittel in einem Arzthaftungsprozess. Sie haben ein gesetzlich verbrieftes Recht auf vollständige Einsicht in Ihre Patientenakte (§ 630g BGB). Fordern Sie diese schriftlich an und achten Sie auf Vollständigkeit. Wichtig sind insbesondere:
- Operationsberichte
- Anästhesieprotokolle
- Pflegedokumentation
- Bildgebende Untersuchungen (MRT, CT, Röntgen)
- Arztbriefe und Entlassungsberichte
Detaillierte Informationen zur Anforderung der Patientenakte finden Sie auf unserer Website wie Sie die Patientenakte anfordern können.
2. Gedächtnisprotokoll anfertigen.
Dokumentieren Sie so detailliert wie möglich den Ablauf der Behandlung, Gespräche mit Ärzten und Pflegepersonal, sowie alle Umstände, die Ihnen wichtig erscheinen. Notieren Sie Namen der behandelnden Personen und wichtige Zeitpunkte.
3. Fristen beachten.
Schadensersatzansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hat. Um keine Fristen zu versäumen, ist eine frühzeitige rechtliche Beratung unerlässlich.
4. Medizinische Zweitmeinung einholen.
Eine unabhängige Beurteilung durch einen Facharzt kann wichtige Hinweise auf mögliche Behandlungsfehler geben und die Grundlage für weitere rechtliche Schritte bilden.
5. Einen Fachanwalt für Medizinrecht konsultieren.
Eine Querschnittslähmung nach einer Operation stellt Betroffene vor enorme Herausforderungen. Wenn der begründete Verdacht auf einen Behandlungsfehler besteht, ist es Ihr gutes Recht, diesen aufklären zu lassen und angemessenen Schadensersatz zu fordern.
Die rechtliche Auseinandersetzung mag zunächst abschreckend wirken, ist aber oft der einzige Weg, um die finanziellen Mittel für ein Leben mit Querschnittslähmung zu sichern. Ein erfahrener Fachanwalt für Medizinrecht kann Ihnen die Last dieser Auseinandersetzung weitgehend abnehmen und für eine professionelle Vertretung Ihrer Interessen sorgen.
Zögern Sie nicht, sich frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen. In einer Erstberatung klären wir gerne mit Ihnen die Erfolgsaussichten Ihres individuellen Falls und erläutern Ihnen die weiteren Schritte.
Häufige Fragen zu Querschnittslähmung durch einen Behandlungsfehler.
Was ist der Unterschied zwischen einem einfachen und einem groben Behandlungsfehler?
Ein einfacher Behandlungsfehler ist ein Verstoß gegen den medizinischen Standard. Ein grober Behandlungsfehler ist ein so schwerwiegender Verstoß, dass er aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint. Bei einem groben Fehler kehrt sich die Beweislast für die Ursächlichkeit um, was die Position des Patienten erheblich verbessert.
Wie hoch ist das Schmerzensgeld bei einer Querschnittslähmung durch einen Behandlungsfehler?
Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich nach dem individuellen Fall, insbesondere nach Schwere der Lähmung, Alter des Patienten und weiteren Umständen. Bei vollständigen Querschnittslähmungen wurden in der Vergangenheit Schmerzensgelder im sechsstelligen Bereich zugesprochen, wobei die individuellen Umstände maßgeblich sind. Informieren Sie sich über die Voraussetzungen für Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Wie lange dauert ein Arzthaftungsverfahren?
Arzthaftungsverfahren sind komplex und können z.T. auch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Häufig werden mehrere Gutachten eingeholt, und das Verfahren kann sich über mehrere Instanzen erstrecken. Eine außergerichtliche Einigung kann den Prozess jedoch erheblich verkürzen.
Wer trägt die Kosten für den Rechtsstreit?
Bei erfolgreicher Durchsetzung Ihrer Ansprüche trägt in der Regel die Gegenseite die Kosten. Vorab können die Kosten durch eine Rechtsschutzversicherung gedeckt werden. Auch die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe besteht, wenn die finanziellen Voraussetzungen erfüllt sind. Ein Fachanwalt berät Sie zu den verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten.
Wie kann ich beweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt?
Der Beweis eines Behandlungsfehlers erfolgt in der Regel durch ein medizinisches Gutachten. Ein Sachverständiger prüft, ob bei der Behandlung der zu fordernde Behandlungsstandard eingehalten wurde. Maßgebend dafür ist die Patientenakte. Anhand dieser erfolgt die Bewertung des gesamten Falles. Ein Termin vor Ort ist dafür in den meisten Fällen nicht erforderlich; denn bei einer Untersuchung, die „heute“ erfolgt, lässt sich nicht rückblickend sagen, was „damals“ falsch gemacht worden ist. Deshalb sind die Behandlungsunterlagen das wichtigste Beweismittel im Arzthaftungsrecht.












